INVENTIONEN'85                                                                                              Sonntag, 3.2.1985
6. Konzert: Teitelbaum / Lewis                                                                        18:00 Uhr
TU-Gebäude Ackerstraße


RICHARD TEITELBAUM - GEORGE LEWIS: Improvisationen

In den letzten Jahren haben Richard Teitelbaum und George Lewis real-zeitige, interaktive Mikro-Computer-Systeme entwickelt. In Teitelbaums "Digital Piano System" wird die auf einem akustischen Klavier gespielte Musik als Information für Tonhöhe, Tondauer und Amplitude abgenommen. Diese musikalischen Daten werden von einer Reihe auswählbarer run-time-Programme verarbeitet und über zwei Marantz-Pianocorder-Vorsatzgeräte auf zwei Konzertflügeln ausgegeben. Die von Mark Bernard entwickelte "Patch Control Language" (PCL) und ein Hochgeschwindigkeits-32-Bit 68000 Prozessor ermöglichen ein breites Spektrum von musikalischen Transformationen in Echtzeit. Diese Sprache besteht aus 30 Software-Modulen, deren jedes eine Gruppe definierter Funktionen aufweist. Ein Track-Modul zum Beispiel besteht aus:
Aufnahme an/aus; Wiedergabe an/aus; Geschwindigkeitsänderung bis zum jeweils Neunfachen, Lauf in die umgekehrte Richtung; Loop. Die Eingabe jedes Moduls kann durch Schalter, Potentiometer oder die Ausgabe eines anderen Modules wie Zähler, Uhr, o.ä. kontrolliert werden.
Das Einzigartige an diesem Computersystem ist die Tatsache, dass sowohl Eingabe als auch Ausgabe allein durch akustische Instrumente (Klaviere) gesteuert werden. Wir arbeiten jetzt daran, dieses System mit einer Möglichkeit zur synthetischen Klangproduktion zu verbinden, indem wir den neuen "Musical Instrument Digital Interface" (MIDI)-Standard benutzen, der die PCL-Software einer großen Anzahl elektronischer Musikapparaturen nutzbar macht.
Wie beim "Digital Piano System" wird die Eingabe bei George Lewis' "Rainbow Family" allein durch ein akustisches Instrument bewerkstelligt; (obwohl die Ausgabe allein aus digital synthetisierten Klängen besteht). Im Gegensatz zu Teitelbaums System jedoch werden nicht die Eingabedaten selber weiterverarbeitet und in einer transformierten Weise wieder ausgegeben, sondern von einem Mikro-Computer analysiert, der dann die Synthesizer instruiert, geeignete Antworten zu spielen. Mr. Lewis hat das System folgendermaßen beschrieben: "'Rainbow Family' ist eine Improvisation für Instrumentalisten und ein angeschlossenes Computer-Netzwerk. Das Netzwerk besteht aus 2 bis 4 Mikro-Computern, die alle als 'Spieler' mit Digitalsynthesizern verbunden sind, die Klänge hervorbringen sollen. Einer der Computer dient auch als zentrales 'Ohr', das Daten erzeugt, die sowohl auf dem einzelnen als auch dem Ensemblespiel der elektronischen und der menschlichen 'Spieler' basieren. Diese Daten werden dann zu allen Computern gesandt. Zu den Faktoren, die diese Analyse berücksichtigt, gehören Geschwindigkeit, rhythmische Komplexität, Ton- und Phrasendynamik, individuelles wie auch Gruppenverhältnis von Klang und Stille, Häufigkeit der Stille, melodische Richtung und bestimmte melodische und rhythmische Bildungen."
In der jetzigen Form der Zusammenarbeit, die "Interlace (1985)" genannt wird, werden die Daten des einen Spielers sowohl zum anderen Spieler als auch zu ihm selber geleitet, so dass die Verarbeitung und Analyse innerhalb eines einzigen großen Netzwerkes stattfindet. Das Ergebnis dieser Totalität ist nicht gänzlich vorhersehbar, und mit einigen ungewöhnlichen und komischen Interaktionen wird gerechnet.

Halle B TU-Gebäude Ackerstraße 1984 (Konzert Gruppe SONDE)

zurück zur Programmübersicht Inventionen 1985