Mario Verandi

Acariciando lo áspero

2005 | UA | Auftragswerk

 

Das Stück Acariciando lo áspero, das in deutscher Übersetzung Liebkosung des Rauhen lauten könnte, ist in drei Teile gegliedert. In jedem Teil werden eine Reihe von Klangfarben, Gesten und Texturen untersucht, die durch Interaktion und Reibung zwischen den Klängen des Carillons und der vorproduzierten Musik entstehen. Eine gewisse Einheit zwischen den drei Sektionen ergibt sich durch klangfarbliche und rhythmische Beziehungen. Die vorproduzierte Musik wurde durch Manipulation und Transformation von Glockenklängen am Computer generiert. Acariciando lo áspero ist Jeffrey Bossin gewidmet.

Mario Verandi, geboren 1960 in Buenos Aires, lebt in London und Berlin.

Studium von Musik und Computertechnologie von 1979–85 in Buenos Aires und Rosario, Argentinien, von 1986–89 in Barcelona an den Phonos Electroacoustic Music Studios und von 1990–2001 Computermusik und Komposition (Ph.D.) an der University of Birmingham. 1997 war er ‘composer-in-residence’ in den Studios von La Muse en Circuit in Paris bei Luc Ferrari. Von 1994–2000 war Verandi als Komponist und Tonassistent am BEAST (Birmingham Electroacoustic Sound Theatre) tätig.

Seine Stücke erhielten zahlreiche Preise und Auszeichnungen – u.a. Bourges International Electroacoustic Music Awards ’96, ’98 und ’99, Musica Nova Preis Prag ‘96, Prix Ars Electronica Linz ’97 – und wurden weltweit bei Festivals aufgeführt.

Seine Komposition Rthe Neighbouring ShoreS wurde kürzlich in die Sammlung Lateinamerikanischer Kunst der Universität Essex aufgenommen.

Mario Verandis Œuvre umfaßt Instrumentalwerke (für Solisten und Ensembles) sowie elektroakustische Musik und Radiostücke; er arbeitet sehr intensiv mit bildenden Künstlern, Tänzern, Filmemacher und Schauspielern zusammen.

2000/ 2001 war Mario Verandi Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.


Lucia Ronchetti

Come un acciar che non ha macchia alcuna.

Studio sulla luna da Ludovico Ariosto

für Carillon und aufgezeichnete Klänge

2005 | UA | Auftragswerk

 Ariost-Text

Das kleine theatralische Werk für Carillon und aufgezeichnete Klänge stellt die Reise des Astolfo von Ludovico Ariostos Orlando Furioso zum Mond dar. Astolfo ist mit dem fliegenden Pferd unterwegs, um auf dem Mond die verlorene Vernunft Orlandos zu suchen. Die Darstellung des Mondes und Adolfos Weg von der Erde zum Mond sind dramaturgisch höchst spannend und reich an verschiedenen barocken Texturen. Ariosto gibt uns eine surreale Liste, einen theatralischen Katalog von verlorenen Dingen, von der Träne der Liebsten bis hin zu unserer Verschwendung von Zeit, die sich nun an der Oberfläche des Mondes ansammeln. Das Bedeutendste dieser Sammlung ist die Vernunft der wahnsinnig gewordenen Menschen, die in Glasflaschen verwahrt wird. Ein zerbrechliches und dunkles Tableau entsteht, das, transkribiert in einer Partitur, klar sich abzeichnende, aber ebenso auch groteske Gestalten zeigt - wie ein Puppentheater von Klängen, mit einfachen und kräftigen Figuren sowie zwanghaften Wiederholungen. Das fliegende Carillon-Pferd, stark und magisch, entwickelt resonanzvolle Träume. Der aufgezeichnete Klang ist dessen Emanation und der groteske, unmögliche Versuch in die Höhe aufzusteigen.

Come un acciar che non ha macchia alcuna ist Jeffrey Bossin gewidmet. Besonderen Dank an Arne Vierck.

 

Lucia Ronchetti, geboren 1963 in Rom, erhielt ihre musikalische Ausbildung (Klavier und Komposition, elektronische Musik) in Rom (u.a. bei Sylvano Busotti und Salvatore Sciarrino) und Paris (u.a. bei Gérard Grisey und François Lésure); Computermusik-Ausbildung am Pariser IRCAM. 1987-1998 war sie Leiterin des Festival Animato, Rom. Ronchetti erhielt zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, u.a. Cité Internationale des Arts, Paris; Akademie Schloss Solitude, Stuttgart, als Artist in Residence der MacDowell Colony, Peterborough, USA, und jüngst als Composer in Residence des Forums Neues Musiktheater der Staatsoper Stuttgart. 2005 ist sie Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.

In Berlin war sie zu Gast im Elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin (1997) und im Studio für Elektroakustische Musik der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg (1999). Im August 2004 wurde in Darmstadt ihre Komposition Il sonno di Atys für Viola und Computermusik uraufgeführt, ein Kompositionsauftrag des Experimentalstudios der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR.

Ihre Kompositionen bedienen eine große Bandbreite von Gattungen und Besetzungen, darunter Orchesterstücke (z.B. Schiffbruch mit Zuschauer nach Hans Blumenberg, 1997/99; Déclive-Etude, 2001/2002), Kammermusik, auch mit Einsatz von Live-Elektronik (Eluvion-Etude für Bratsche und Live-Elektronik), Vokalmusik (Anatra al sal für 6 Vokalsolisten) und Musiktheater (Die Nase, Puppenoper nach Gogol, 1994; Amore, Kammeroper nach Giorgo Manganelli, 2002-2004).

In Berlin plant sie zusammen mit der Künstlerin Dörte Meyer die Fertigstellung einer Installationsarbeit, eine Komposition über den Hamlet-Stoff und eine weitere, groß angelegte Komposition für Orchester, Solostimmen, Chor und Tonaufzeichnungen, der Texte von italienischen Schriftstellern zu Grunde liegen, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen im Exil lebten.


Ludovico Ariosto

Orlando Furioso

Canto 34

 

LXX

Tutta la sfera varcano del fuoco,

et indi vanno al regno de la luna.

Veggon per la più parte esser quel loco

come un acciar che non ha macchia alcuna;

e lo trovano uguale, o minor poco

di ciò ch’in questo globo si raguna,

in questo ultimo globo de la terra,

mettendo il mar che la circonda e serra.

 

LXXV

Le lacrime e i sospiri degli amanti,

l’inutil tempo che si perde a giuoco,

e l’ozio lungo d’uomini ignoranti,

vani disegni che non han mai loco,

i vani desideri sono tanti,

che la più parte ingombran di quel loco:

ciò che in somma qua giù perdesti mai,

là su salendo ritrovar potrai.

 

LXXXV

Altri in amar lo perde, altri in onori,

altri in cercar, scorrendo il mar, ricchezze;

altri ne le speranze dé signori,

altri dietro alle magiche sciocchezze;

altri in gemme, altri in opre di pittori,

et altri in altro che più d’altro aprezze.

Di sofisti e d’astrologhi raccolto,

e di poeti ancor ve n’era molto.