INVENTIONEN'85                                                                                              Sonntag, 3.2.1985
5. Konzert: Amacher                                                                                       17:00 Uhr
TU-Gebäude Ackerstraße


MARYANNE AMACHER: MUSIC FOR SOUND JOINED ROOMS

Bei der Komposition "Music for Sound Joined Rooms" nutze ich die Architektur eines Gebäudes – das ganze Haus, ein Zimmer oder andere Aspekte des Gebäudes – um Klangstrukturen zu schaffen und so Handlungen mit Szenen und Episoden zu entwickeln, die durch Musik und Ausstattung - projizierte, graphische und Video-Bilder, Beleuchtung, Skulptur, Texte und Möbel - für den jeweiligen Ort und die jeweilige Geschichte dramatisiert werden.
Das Publikum begibt sich in die Welt der Geschichte - betritt die Bühnenbilder. Eine bestimmte Form von Musiktheater wird geschaffen. Ich benutze die architektonischen Momente eines Gebäudes, um musikalische Erfahrungen von hoher Dramatik zu schaffen, die anders nicht zu gewinnen wären. Capp Street House wäre die ideale Umgebung für dieses Stück.
Der Grundgedanke ist es, eine Welt zu schaffen, die dem Publikum, das in sie eintritt, eine vom musikalischen und visuellen Alltagserleben sehr verschiedene Erfahrung vermittelt – eine Atmosphäre, die suggeriert, man gehe in eine kinematographische Naheinstellung und sei Teil der Szene, umgeben von ihrer Musik und ihren Bildern. Hier erscheinen die Klangformen größer als das Leben, oder so klein, dass man sie berühren kann; sie werden weit entfernt empfunden, oder drinnen im Hörer.
In einigen Stücken treiben Klänge durch die Räume, in anderen werden sehr genau Akkorde und Tonalitäten zwischen den Räumen komponiert; in wieder anderen wird eine Klangform für einen bestimmten Raum geschaffen. Die musikalische Form ist dramatisch, der Hörer kann in den Raum hineingehen, und plötzlich dehnt sich der Raum aus, er "lebt" (zwei andere Räume haben zu klingen begonnen) wie ein Organismus.
Mit Raum und seiner bereits existierenden Architektur zu arbeiten ist die einzige Art, in der ich die Erfahrungen herstellen kann, die ich mit meiner Musik vermitteln möchte. Um sie zu verstehen, ist es notwendig, die Werke zu erfahren. Die Musik, die ich aufführe, muss auf die Bühne gebracht werden. Sie muss für jede Situation, in der sie klingen soll, neu inszeniert werden – um in die Raumstruktur, in der sie klingt, eindringen zu können –, um richtig erfahren zu werden. Obwohl ich mich auch bemühe, meine konventionellen Konzerte in dieser Art vorzubereiten, ist es schwierig. "Music for Sound Joined Rooms" ist der beste Ausdruck und die wichtigste Richtung meiner Arbeit.
Maryanne Amacher



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