Bemerkungen zu den Konzerten

Hörkino

 

Den zentralen Veranstaltungsblock der Inventionen '98 bilden das Concert visible und die drei Concerts concrets in der Parochialkirche. Hier begegnen sich verschiedene Komponisten-Generationen und Kompositions-Traditionen.

Beginnen wir mit den Vertretern der GRM selbst: als "Klassiker" können bereits heute die Werke von Luc Ferrari und François Bayle gelten. Beide bildeten die Ideen von Pierre Schaeffer auf eigenständige Weise weiter und setzten sie organisatorisch um: Ferrari baute, nach dem Weggang Henrys von der GRMC, zusammen mit Schaeffer die GRM neu auf und entwickelte das Konzept der "anekdotischen Musik". Bayle leitete von 1966 bis 1997 die GRM, prägte Idee und Begriff der "akusmatischen Musik" und verwirklichte sie mit der Entwicklung des Akusmoniums . – Daniel Teruggi, seit 1997 Direktor der INA•GRM, und Christian Zanési, der für die Radiosendungen der INA•GRM verantwortlich ist, stehen repräsentativ für die dritte Generation der Komponisten von Musique concrète. Mit François Donato ist auch die vierte und jüngste Generation vertreten. – Francis Dhomont, ebenfalls Mitglied der INA•GRM, verbreitete das Konzept einer akusmatischen Musik im franko-kanadischen Raum, wo es gegenwärtig u.a. durch Gilles Gobeil seine Fortführung erfährt.

Eine Besonderheit der Concerts concrets stellen die zahlreichen eigens in Auftrag gegebenen Stücke von Komponisten aus verschiedenen nicht-frankophonen Ländern dar. Möglich wird damit ein Vergleich der französischen Tradition mit anderen internationalen Entwicklungssträngen & Entwicklungen, die sich von Ideen oder Verfahren der Musique concrète beeinflußt zeigen, aber ein eigenes musikalisches Profil entwickelt haben.

Plan des Inventionen-Akusmoniums in der Parochialkirche

Die "Konzert-Installation" von Robin Minard und die zwei Performances in den Nachtkonzerten vergegenwärtigen, wie sich im Spannungsfeld von bildender Kunst, Performance und aktueller Clubkultur neue Modelle akusmatischer Aufführungspraxis entwickelt haben. – Die Konzertreihe wird dem Besucher jedoch nicht nur neue Werke und Genres vorstellen, sondern auch eine neue, zumindest ungewohnte Weise der Präsentation akusmatischer Musik. Was ist in Deutschland neu an diesem akusmatischen Konzept?

Während hierzulande die räumlichen Bezüge im Studio möglichst exakt mehrkanalig vorproduziert und dann über entsprechend exakte Lautsprecherinstallationen wiedergegeben werden, gehen die französischen Akusmatiker in der Regel von stereophonen Studioproduktionen aus. Die Verräumlichung findet dann erst live in der Konzertsituation statt. Die zweikanaligen Werke werden gezielt auf die Lautsprecher und den Raum abgestimmt. Dazu hatte François Bayle 1973 ein Lautsprecherorchester, das Akusmonium, entwickelt. Es besteht aus etwa 80 Lautsprechern, die nach Kriterien der Klangfarbe, Tiefenwirkung (nah/fern-Staffelung) und der akustischen Perspektive im Raum plaziert werden. Wegen der stereophonen Quellen ist eine generelle Aufteilung in eine linke und rechte Hälfte, die Organisation in gleiche Lautsprecher-Paare üblich. Den Akusmatikern ist nicht der perfekte, sondern der individuelle Lautsprecherklang wichtig. Ob einzelne Lautsprecher im technischen Sinne "schlechte" Daten aufweisen, ist nicht von Bedeutung – im Gegenteil, gerade dies macht ihren Charakter aus. Hauptsache ist, dass die Lautsprecher subjektiv "richtig" klingen und die beabsichtigte Raumklangatmosphäre unterstützen.

Inventionen '98 will, dem heutigen Stand der Produktions- und Aufführungstechnik gerecht werdend, neben stereophonen auch 8-kanalige bzw. n-mal-8-kanalige Klangquellen einsetzen. Ziel ist es, die stereophonen Grundlagen der akusmatischen Tradition auszuweiten und die paarweise Lautsprecheranordnung durch quadro- und oktophone, in der Tiefe gestaffelte Lautsprechersysteme zu ergänzen.

Interessant wird sowohl aus der Perspektive des Publikums als auch der Komponisten sein, wie traditionelle und aktuelle akusmatische Denkweisen mit dem "Inventionen-Akusmonium" umgehen.

 

Schema der Audiotechnik